Frau Dr. Peter, liebe Teresa, einleitend möchte ich dich an ein Gespräch erinnern, das wir während unserer gemeinsamen Studienzeit in Innsbruck geführt haben und in dem ich dich gefragt habe: „Was faschtoscht du hüor?“ Du hast damals gelacht und gemeint: „I tuor mir jeda Tag epas Guats.“ Siehst du das heute auch noch so?
Antwort: Ja, genau. Ich kann mich auch an dieses Gespräch erinnern. Auch weil ich etwas Ähnliches später öfters zu Studentinnen und Studenten gesagt habe. Es stimmt, ich sehe das heute immer noch so. Wobei ich dazu sagen will, „mir etwas Gutes tun“ bedeutet in diesem Zusammenhang nicht, mir in einem materialistischen Sinn etwas zu kaufen oder etwas zu konsumieren, sondern etwas zu tun, was mir in einem umfassenden und ganzheitlichen Sinn wirklich gut tut; also etwas, das mich lebendiger, freier, versöhnter macht. Denn dann – so denke ich – tut das letztlich auch anderen Menschen gut, die es mit mir zu tun bekommen.
Frage: Heutzutage gibt es das ganze Jahr über Fastenkuren, entweder zum Entschlacken, zum Abnehmen oder, um die eigene Abstinenz zu testen, Stichwort „Dry January“. Inwiefern unterscheidet sich das religiös motivierte Fasten von diesen Formen?
Antwort: Das religiös motivierte Fasten – wie ich es verstehe – unterscheidet sich von dieser Art von Fastenkuren ganz wesentlich insofern, als religiöses Fasten eigentlich niemals Zweck an sich sein sollte, sondern Mittel zum Zweck. Das heißt, es geht letztlich nicht darum, bestimmte Regeln einzuhalten oder besondere Fastenleistungen zu erbringen, sondern diese Verhaltensweisen, diese Vorsätze, diese Übungen müssen dazu dienen, spirituell zu wachsen, die Gottesbeziehung neu zu entdecken oder – wie ich vorhin gesagt habe – freier, lebendiger und versöhnter zu werden. Karl Rahner schreibt einmal sinngemäß: „Der wahre Sinn der Fastenzeit liegt nicht im Verzichten, sondern darin eine neue Ausrichtung zu finden.“
Frage: Welche Formen des religiösen Fastens gibt es und welche sprechen dich besonders an?
Antwort: Es kann sehr viele Formen des Fastens geben. Vermutlich denken viele Menschen als erstes an bestimmte Beschränkungen hinsichtlich des eigenen Ess- oder Trinkverhaltens oder hinsichtlich des Konsumverhaltens, aber ich denke, wir können und sollen da ganz kreativ sein. Wenn ich eine für mich passende Form des Fastens finden will, so denke ich, dass ich mir nicht unbedingt die Frage stellen muss: „Was fällt mir am schwersten?“, sondern dass ich eher folgenden Themen nachgehen könnte: „Was ist mir im Leben wirklich wichtig? Was soll eigentlich eine hohe Priorität in meinem Leben haben, kommt aber vielleicht aus Zeitgründen immer wieder unter die Räder?“
Wenn ich auf mein eigenes Leben schaue, könnte ich in der heurigen Fastenzeit vielleicht versuchen, mehr Unterbrechungen in meinen Arbeitsalltag einzuplanen, für etwas Verlangsamung zu sorgen oder im Zug aus dem Fenster zu schauen anstatt auf das Smartphone zu blicken. Aber wie gesagt bei all diesen Dingen stellt sich immer die Frage, was ist das Ziel, wem oder was dienen diese Vorhaben.
Frage: Gefastet wird in allen Religionen. Was soll dadurch erreicht werden?
Antwort: Das würde vermutlich in den verschiedenen Religionen unterschiedlich beantwortet werden, weil die verschiedenen Religionen sich in vielem unterscheiden. Trotzdem würde ich sagen, dass es in allen Religionen eben darum geht, durch Fastenpraktiken etwas Größeres zu erreichen oder etwas Höherem näherzukommen. Ich wiederhole mich, aber das scheint mir wirklich der entscheidende Punkt zu sein: Fasten ist dann wichtig und richtig, wenn es nicht im Mittelpunkt steht, sondern den Blick auf das zentrale Geheimnis eröffnet oder zumindest etwas schärft.
Frage: Welche Wege und Möglichkeiten des sinnvollen Gestaltens der Fastenzeit würdest du uns „heutigen Menschen“ vorschlagen?
Antwort: Ich würde vorschlagen, seien Sie erfinderisch, nutzen Sie Ihre Kreativität. Alles in meinem Alltag kann zu einer sinnvollen Fastenpraxis werden. Das muss individuell entdeckt werden. Sinnvolles Fasten kann für die eine Person bedeuten, mehr zu arbeiten und für die andere Person, weniger in die Arbeit zu investieren. Jemand könnte sich vornehmen, den eigenen Kindern mehr Zeit und Aufmerksamkeit zu widmen und jemand anderer vielleicht, gerade weniger für die eigene Familie verfügbar zu sein. Beides kann richtig sein.
Es ist spannend und wunderbar, sich auf den Weg zu machen und sich selbst auf die Schliche zu kommen, was jetzt eigentlich gerade bei einem selbst dran ist.
Vielen Dank für das Gespräch!
Christine Felder-Lang