Hintergrundbericht von Georg Pulling (Kathpress)
In welchem Jahr wurde Jesus von Nazareth geboren? Diese Frage ist unter Wissenschaftlern umstritten und nach wie vor ungeklärt. Weder die Bibel noch historische Dokumente bieten ausreichende Anhaltspunkte, und auch Naturphänomene wie Gestirnkonstellationen bieten eine befriedigende Lösung.
Wie das Lukas-Evangelium berichtet, wurde Jesus zur Zeit der Herrschaft von Herodes dem Großen geboren. Dessen Regierungszeit erstreckte sich mit einer kurzen anfänglichen Unterbrechung auf die Zeit von 40 bis 4 v. Chr. Demnach müsste Jesus also spätestens "4 vor Christi Geburt" zur Welt gekommen sein. Problemlos passt dazu auch die Angabe im Evangelium, dass Jesus zur Zeit der Herrschaft des römischen Kaisers Augustus (27 v. Chr. bis 14. n. Chr.) das Licht der Welt erblickte.
Schwierigkeiten bereitet hingegen die Angabe, dass Quirinius zur Zeit der Geburt Jesu Statthalter von Syrien war. Quirinius trat dieses Amt erst 6 n. Chr. an. Diese Position lässt sich mit der Regierungszeit des Herodes nicht in Einklang bringen.
Lukas erwähnt in seinem Evangelium auch eine Volkszählung im damaligen Imperium Romanum. Auch diese Angabe bereitet allerdings mehr Probleme als Hinweise: Für die Herrschaft des Augustus ist keine solche Zählung belegt, wohl aber dürfte es 6/7 n. Chr. in Judäa eine Zählung anlässlich der Eingliederung des Landesteils in die Provinz Syrien gegeben haben.
Wie das Lukasevangelium erzählt auch das Matthäus-Evangelium, dass Jesus zur Zeit des Herodes zur Welt kam. Und nur bei Matthäus ist auch von einem Stern die Rede. Sollte es sich um ein reales astronomisches Phänomen handeln - was nicht sicher ist - spricht viel für die Jahre zwischen 7 und 4 v. Chr. In dieser Zeit kam es dreimal zu auffälligen Konjunktionen der Planeten Jupiter und Saturn.
Schon der Astronom Johannes Kepler (1571-1630) berechnete, dass es um die Jahre 7/6 v. Chr. eine Konjunktion der Planeten Jupiter, Saturn (und Mars) gab. Alte chinesische Quellen wiederum berichteten von einem Kometen im Jahr 5 v. Chr. im Sternbild Steinbock.
Die Mehrheit der Wissenschaftler tritt nach Abwägung aller Argumente dafür ein, die Geburt Jesu in die letzten Regierungsjahre des Herodes zu datieren. Gewissheit darüber gibt es freilich nicht. Und auch immer wieder abweichende Meinungen.
Vor einigen Jahren trat der deutsche Astronom Stefan Poller mit der These an die Öffentlichkeit, Jesus sei erst 2 v. Chr. zur Welt gekommen. Er stellte Überlegungen zum Stern von Betlehem an und führte mehrere Erklärungsversuche für dieses Himmelsphänomen an. Die einzige plausible Erklärung verweise auf das Jahr 2 oder 3 v. Chr., so der Astronom.
Die Kometen-Theorie kam für Poller nicht in Frage: Mit dem Auftreten eines Kometen habe man in der Antike ungünstige, ja mitunter sogar katastrophale Zukunftsaussichten verbunden. Mit der Geburt eines göttlichen Heilsbringers ließe sich eine solche Deutung - die auch Matthäus sicherlich bekannt war - nicht in Einklang bringen.
Andere Theorien gingen von einer Supernova aus, die zu dieser Zeit erstmals sichtbar gewesen sein soll. Jedoch lasse sich, so Poller, hierfür weder in den damaligen chinesischen Aufzeichnungen etwas finden, noch hätten heutige astronomische Forschungen Anhaltspunkte dafür.
Auch die von Kepler berechneten Planetenkonstellationen sind für Poller keine befriedigende Erklärung für das Phänomen des Sterns von Bethlehem - auch wenn viele Argumente dafür sprächen: Gleich drei Mal begegneten einander Jupiter und Saturn im Sternbild der Fische, das in der damaligen Vorstellung das Land Israel versinnbildlichte. Jupiter als Planet des sowohl nach römischer wie nach orientalischer Vorstellung höchsten Gottes und Saturn als Königssymbol ließen für die damaligen Astronomen, die immer zugleich auch Sterndeuter (Astrologen) waren, nur eine Interpretation zu: Im Staat Israel wurde die Ankunft eines neuen Königs verheißen. Aber, so Poller: Jupiter und Saturn seien sich nie so nahe gekommen, dass Matthäus nur von einem einzigen Stern hätte sprechen können.
Anders sah die Sache laut dem deutschen Astronomen in den Jahren 3 und 2 v. Chr. aus: Diese seien ganz im Zeichen des Planeten Jupiter gestanden: Am 12. August 3 v. Chr. habe sich Jupiter der Venus so weit angenähert, dass beide Planeten mit bloßem Auge nicht mehr voneinander zu unterscheiden gewesen seien; nur wenig später seien Jupiter und Regulus, der Hauptstern im Sternbild des Löwen, extrem eng beieinandergestanden. Am 25. Dezember 2 v. Chr. schließlich habe Jupiter im Sternbild Jungfrau zu seiner Oppositionsschleife angesetzt. Er sei, um mit Matthäus zu sprechen, von Jerusalem aus betrachtet "still über Bethlehem gestanden".
Historische Argumente, die gegen seine Datierung sprechen, ließ Poller nicht gelten: Quirinius sei beispielsweise schon in den Jahren 3 und 2 v. Chr. provisorischer Statthalter von Judäa gewesen. Und überdies habe Rom im Jahr 2 v. Chr. seinen 750. Gründungstag gefeiert und Augustus sein 25. Regentschaftsjahr. Aus diesem Anlass heraus könnte wohl eine umfassende Volkszählung stattgefunden haben.
Poller ging bei seinen Überlegungen vom "Stern von Bethlehem" aus. In der Fachwelt ist jedoch nicht gesichert, dass mit dessen Erwähnung im Matthäus-Evangelium - und nur dort ist davon die Rede - überhaupt von einem naturwissenschaftlichen Himmelsphänomen die Rede ist. Viele Wissenschaftler bestreiten dies.
In der antiken Literatur war es üblich, die Geburt großer Persönlichkeiten - etwa Alexander des Großen - mit fiktiven Himmelserscheinungen wie Sternenkonstellationen in Verbindung zu bringen. Der Regensburger Bibelwissenschaftler Tobias Nicklas hält es wiederum - wie auch viele andere - für plausibel, dass sich das Matthäus-Evangelium auf das Alte Testament bezieht, Genauer gesagt auf das Bileam-Orakel im Buch Numeri. Dort heißt es wörtlich: "Ein Stern geht in Jakob auf, ein Zepter erhebt sich in Israel."
Zwar könne man nicht sicher sagen, dass der Autor des Evangeliums tatsächlich jene Stelle im Blick hatte, räumt Nicklas ein, es spreche aber einiges dafür. Demnach stehe das Motiv des "Sterns von Bethlehem" dafür, dass mit Jesus der Messias die Herrschaft antritt, die jede irdische Macht ablöst.
Georg Pulling für kathpress.at