„Durch Corona gab es bisher geschätzt fünf Millionen Tote. Das entspricht der Anzahl jener Menschen, die jährlich (!) weltweit durch die Feinstaubbelastung, ausgelöst durch fossile Energien, sterben“, informierte Helga Kromp-Kolb im Rahmen des Stammtischs „Die unterschätzte Klimakatastrophe“. Das lässt einen stutzig werden, oder? Wie kann es sein, dass für die eine Krise, die im harten Zahlenvergleich schrumpft, in ganze Wirtschaftskreisläufe eingegriffen und der tägliche Rhythmus der Menschen verändert wird und bei der anderen Krise um jeden kleinen Fortschritt gestritten werden muss? Was ist da der Unterschied? „Wenn wir die dahinterstehende - größere - Klima-krise nicht wahrnehmen und uns nur darauf konzentrieren, was gerade jetzt passiert, beschleunigen wir die Dynamik der Krise nur“, sagt die Meteorologin. Die Menschen müssen anfangen, die Dinge richtig einzuordnen, warnt sie.
Die Zahlen würden dabei eigentlich für sich sprechen. So haben sich die Temperaturen seit 1800 um ca. 1,5 Grad erhöht - global gesehen. In Österreich, welches als Binnenland keinen Ozean und kein Meer hat, welche die Temperaturen ausgleichen, beträgt der Anstieg seit 1800 2,4 Prozent. Das habe dann weiter globale Auswirkungen - etwa auf die Ernährung der Weltbevölkerung, Wasserverfügbarkeit, die Ökosysteme, den Meeresspiegel und Naturkatastrophen. „Die Katastrophen kommen zwar immer überraschend und einzeln - im Ganzen gesehen wurde aber schon lange davor gewarnt“, sagt Kromp-Kolb. Die Bereitschaft, den eigenen Lebensstil zu ändern, sei danach zwar gegeben, schwinde aber nach kurzer Zeit wieder.
Helga Kromp-Kolb sieht die Gesellschaft schon auf dem richtigen Weg - allerdings in zu kleinen Schritten: „Das ist, wie wenn man auf einen Berg geht. Schaut man nach oben, sieht man, was noch alles vor einem liegt.“ Grundsätzlich gibt es drei Möglichkeiten, auf die Erwärmung zu reagieren: Anpassung, Geoengineering oder eine Minderung der Treibhausgase. Das erste funktioniert nur zeitlich begrenzt, auch der Eingriff des Menschen in die Umwelt sei noch keine langfristige Lösung - zu oft sind die Lösungen von heute die Probleme von morgen. Was bleiben würde, ist eine Reduzierung der Treibhausgase. „Das Pariser Klimaabkommen gibt da schon die richtige Richtung an“, sagt Kromp-Kolb, wobei Österreich hier alles andere als ein Musterland sei. „Wir sind eines jener fünf EU-Länder, in welchen die Treibhausgase in den letzten Jahren sogar zugenommen haben. Zudem sind wir auf EU-Ebene nicht nur kein Musterschüler, sondern behindern auch aktiv, dass mehr gemacht werden kann“, sagt sie. Handeln müssen jetzt insbesondere jene Personen und Institutionen, die die Emissionen verursachen - das brauche aber gute Rahmenbedingungen und dürfe nicht auf eine Gruppe abgewälzt werden.
Trotz der großen Herausforderung will Kromp-Kolb motivieren: „Es ist letztlich auch eine ethische Frage - kann, darf ich mich zurücklehnen? Es muss jeder in sich selber spüren, dass man nicht in Pessimissmus verfallen darf, sondern dafür kämpfen muss, dass es eine bessere Zukunft gibt. Und die ist greifbar und möglich.“