Von Ingmar Jochum
Beim Gesellschaftspolitischen Stammtisch der Katholischen Kirche Vorarlberg war ein Experte zum Thema „Albtraum oder Wohn(t)raum? Wohnen – Eigentum – Ethik“ zu Gast. Dr. Wolfgang Amann, Hochschuldozent, Forscher und Geschäftsführer des „Instituts für Immobilien, Bauen und Wohnen“, zeigte in seinen Ausführungen im Hinblick auf den EU-Hauspreisindex, dass sich der Immobilienpreis in Österreich in elf Jahren verdoppelt hat. Im europäischen Durchschnitt ist dieser Trend wieder rückläufig und Dr. Amann geht davon aus, dass dies auch in Österreich der Fall sein wird. Getrieben ist dieser Umstand von der Entwicklung der Kapitalmarktzinsen. Auf Grund der sehr niedrigen Rückzahlungsraten, konnten sich in früheren Jahren viele Menschen in Österreich auch hohe Kosten für Immobilien leisten. Nach einer schrittweisen Erhöhung, zogen die monatlichen finanziellen Belastungen bei variablen Wohnbaukrediten jedoch empfindlich an.
Vorarlberg gehört zu den teuersten Standorten für Wohnimmobilien im Vergleich zu den anderen Bundesländern. Beim Bauland sind die Preise in wenigen Jahren um 250 Prozent gestiegen. Treiber sind u.a. der eingeschränkte und kleine Markt, zudem verstehe es die Vorarlberger Bauwirtschaft die Eintrittshürden hoch zu halten, so Dr. Amann. Zudem hätten Investitionen in Grund und Boden durch Wenige, die sich das leisten konnten, dazu geführt, dass die Preise durch die Decke gegangen sind. „Leidtragende sind die 99 Prozent der Menschen, die keine Immobilien oder Grundstücke erwerben konnten. Auch die Rubrik ,Grund und Boden‘ in den Vorarlberger Nachrichten mit Angaben der Kosten für die jeweiligen Objekte hat in einem enormen Ausmaß Neid ausgelöst und die Begehrlichkeiten von Immobilien-Abgebern gesteigert. Ich bin der Ansicht, dass diese Rubrik in den VN die Preise ein Stück weit in die Höhe gedrückt hat“, so Dr. Amann.
Anhand eines Rechenbeispiels wurde ersichtlich, wie sehr die Preise in den vergangenen Jahren in die Höhe gegangen sind. Ein Sanierungsprojekt im Jahre 2021 mit einer Kreditaufnahme von 100.000 Euro bei einem Zinssatz von 1,5 Prozent, Laufzeit 20 Jahre, schlug mit einer Rate von 585 Euro monatlich zu Buche. Ein analoges Projekt kostete im September 2023 monatlich 920 Euro. Das ist eine Steigerung der laufenden Kosten von 90 Prozent für die gleiche Leistung. Diese Zahlen belegen, dass beim Eigentum bzw. bei umfangreichen Sanierungen fast nichts mehr geht“, so Amann. Auch die Verteilungsgerechtigkeit stellt ein Problem dar. Zwar ist die Reallohnentwicklung bei allen Einkommensgruppen ähnlich, es gibt aber große Unterschiede zwischen Alt und Jung. Das hat zur Folge, dass jüngere Menschen immer weniger Geld zur Verfügung haben, um Eigentum zu erwerben. „Eine alarmierende Entwicklung, gerade in Vorarlberg“, gibt Amann zu bedenken. Vor 20 Jahren war die Anschaffung einer Liegenschaft für eine:n unter 35-Jährige:n noch finanzierbar, heute dagegen kaum mehr möglich. Und wenn, dann nur mit großer Unterstützung der Familie.
Das heimische wohnungspolitische System hat auch Stärken. Es herrscht eine qualitativ hohe Wohnversorgung, eine durchschnittlich moderate Wohnkostenbelastung unter dem EU-Schnitt. Wohnungsbezogene soziale Sicherungssysteme sind weitgehend armutsfest und es gibt eine der weltweit höchsten Anteile an sozial gebundenen Mietwohnungen.
Schwächen des österreichischen Systems sind die negative Wohnkostenentwicklung benachteiligter Haushaltsgruppen, die verbreitete Überbelastung v. a. von Miethaushalten oder die Insider-Outsider-Problematik. Das bedeutet, wer im System bereits etabliert ist, dem geht es gut, die anderen tun sich schwer, etwas Leistbares zu finden.
Stark eingebrochene Bewilligungszahlen lassen erwarten, dass die Fertigstellungszahlen bis 2025 halbiert werden, auf rund 2000 Wohneinheiten. Aber auch im Bereich der gemeinnützigen Wohnungen, müsste deutlich mehr getan werden. Aufgrund verschiedener Bedarfskomponenten wie dem Zuwachs der Haushalte, Abriss und Neubau, aus Investitionsgründen leerstehenden oder veralteten Wohnungen usw. werden rund 2.500 neue Wohnungen im Jahr benötigt, um den Bedarf in Vorarlberg zu decken.
Dr. Amann nahm auch Bezug auf umweltrelevante Maßnahmen hinsichtlich des Bauens und Wohnens. Ein enkelfittes Verhalten habe viele Dimensionen. Hier wäre eine Verringerung der Treibhausgase zu nennen, ein moderates Heizverhalten oder die Verwendung nachwachsender Rohstoffe. Auch der Schutz der Biodiversität ist enorm wichtig, z. B. eine nachhaltige Bodennutzung oder eine naturnahe Gartengestaltung. Auch die soziale Nachhaltigkeit hilft einer Gesellschaft für ein besseres Zusammenleben.
Was kann der Einzelne tun? Man kann die Temperaturen in der Wohnung senken, Wärmepumpen nutzen, Materialien und Geräten wiederverwenden, oder Bodenversiegelung vermeiden. Und laut Amann müssten sich die Menschen mit kleineren Grundstücken zufriedengeben, 250 m2 würden reichen. Ebenso sei ein Maßhalten der Gebäudegrößen ein Gebot der Stunde.