83% sind mit dabei
Ein ganzer Tag für ein Schulfach? Ja, denn der konfessionelle Religionsunterricht ist im wahrsten Sinne des Wortes ein „Fach mit Spezialeffekten“. Gerade weil er eben durchaus anders sein darf. Irgendwo zwischen Störfall und Lieblingsfach pendelt er sich ein. „In einer Zeit der weltanschaulichen Pluralität bildet der Religionsunterricht für Schüler:innen eine verlässliche Konstante, um christliche Grundhaltungen kennenzulernen“, erklärte Annamaria Ferchl-Blum, Leiterin des diözesanen Schulamtes. Im Pflichtschulbereich nehmen rund 91% der katholischen Schülerinnen und Schüler daran teil – plus 1500 Schüler: innen ohne religiöses Bekenntnis. Insgesamt besuchen in Vorarlberg rund 83% der rund 32.000 katholischen Schülerinnen und Schüler den Religionsunterricht.
Sich auf Bewährtes zu verlassen, so Ferchl-Blum weiter, sei jedoch zu wenig. „Die Frage nach Gott und dem guten Leben sollen auch weiterhin einen guten Platz in der Schule vorfinden und dafür lohnt sich ein besonderes Engagement.“
Wie schmeckt die Welt?
Wie dieses Engagement aussehen könnte, dafür legte der Jesuit Tobias Zimmermann Spuren aus, indem er an den Beginn seines Gastvortrags die zentrale Frage stellte, ob christliche Bildung denn überhaupt ein Partner für die Erziehungswissenschaften sein kann? Seine Antwort: „Ja, wenn es um Bildung am Menschen geht. Der Religionsunterricht hat primär die Aufgabe, das Denken zu lehren.“ Aufgabe des Religionsunterrichts sei es, zu unterstützen und in einem System, in dem Gott nur noch schwer Platz zu finden scheint, genau diesen Platz offenzuhalten. „Wie wollen die Kinder und Jugendlichen von heute in Zukunft in dieser Welt Mensch sein“, darum gehe es und um das Lernen durch Erleben – das Erleben von Staunen, das Erleben von Anderem und Eigenem und das Erkennen, wonach Leben „schmecken“ kann. Nach Abenteuer vielleicht, nach Vertrauen und Hoffnung, manchmal auch nach Angst und Sorgen und dann wieder nach purer Lebenslust. „Das Schmecken und Verkosten, das müssen wir sehr oft wieder lernen“, so Zimmermann und der Religionsunterricht sei ein Ort, an dem man zu seinem Geschmack an der Welt finden könne.
So vielstimmig und geschmackvoll ging der Tag dann auch weiter. Zum Beispiel bei der Podiumsdiskussion – moderiert von der Theologin Petra Steinmair-Pösel – bei der auch Bildungslandesrätin Barbara Schöbi-Fink die Qualitäten eines modernen Religionsunterrichts betonte. Religion sei ein Fach, bei dem man als Lehrende ganz besonders gefordert und vor allem als Mensch angefragt sei. Umso wichtiger sei es, hier ein authentisches Gegenüber für die Schülerinnen und Schüler zu sein. Schöbi-Fink spricht aus Erfahrung, unterrichtete sie doch selbst Deutsch und Religion.
Einsteigen und vertiefen
Zuhören, austauschen, mitdiskutieren und Positionen entdecken – das war das Programm des Nachmittags. Hier tauchte man beispielsweise mit der Philosophin, Theologin und Medienethikerin Claudia Paganini in den digitalen Alltag der Jugendlichen ein. Mit Ingeborg Spiegel und Wolfgang Kremmel wurde die Kraft des gemeinsamen Singens ausgelotet, Anna Egger gab den Lehrerinnen und Lehrern in ihrem Kurs die Ideen für ein „Visualisieren mit Wow-Effekt“ an die Hand, während Carina Mathis mit Tipps und Tricks zum kreativen Gestalten aufwartete.
Natürlich wurde mit Gertrud Theil und Irene Pfleger vom Wiener Schulamt auch darüber diskutiert, wie denn ein überkonfessioneller Religionsunterricht aussehen könnte und Bischof Benno Elbs selbst stieg ins Gespräch über Kraftquellen und Resilienz für Lehrerinnen und Lehrer ein. Bischof Benno Elbs war übrigens lange Zeit selbst Religionslehrer und zählt diese Jahre mit zu seinen schönsten – im Kontakt mit Jugendlichen, mit ihren Fragen, mit ihren Realitäten.
Gute Lehrende hat das Land
Der konfessionelle Religionsunterricht ist Teil des österreichischen Schulalltags, er folgt einem Lehrplan und ist grundsätzlich ein Fach wie jedes andere – und doch auch wieder nicht. Seine Lehrerinnen und Lehrer sind der Kern. Steigen sie in die Diskussion mit den Schülerinnen und Schülern ein, kann ein Entdecken der Welt, frei nach Pater Tobias Zimmermann, passieren.
Gute Lehrerinnen und Lehrer braucht das Land also und hat das Land, muss man ergänzen. Umso schöner, dass der erste Tag des Religionsunterricht mit der bischöflichen Beauftragung von 15 Religionslehrenden endete.