
Von Veronika Fehle
Leben im Krisenmodus, das klingt nicht nur anstrengend, das ist es auf Dauer auch. „Es ist zu viel“, fasste es Thomas Matt, der den ersten, analog stattfindenden Gesellschaftspolitischen Stammtisch seit langem moderierte, kurz und bündig zusammen. Kleine Notiz am Rande: Auch der Stammtisch verdankte seine Online-Existenz einer krisenhaften Situation – der Corona-Krise. An analoge Diskussionsveranstaltungen war damals nicht zu denken. Jetzt kehrte der Stammtisch im Rahmen der „Woche für das Leben“ im Bildungshaus St. Arbogast zurück.
Es war ein kostbarer Abend, wie die Anwesenden es formulierten. Es war ein sehr persönlicher Abend. Es ging um das Thema „Krise“ – um persönliche Krisen, um Beziehungskrisen, und ja, auch um die letzte und ultimative Krise des Lebens, das Sterben.
Wie also mit Krisen umgehen, wenn sie doch überall lauern? Das war sicher eine der ersten Fragen des Abends. Und Inge Patsch, Logotherapeutin aus dem benachbarten Tirol, sorgte hier gleich für die Erdung, die dem Abend sicher guttat. „Es gibt kein Rezept. Optimismus lässt sich nicht verordnen. Das Dümmste aber ist, jemandem einen ,guten Rat‘ zu geben, ohne nachzufragen, ob das für die Betroffenen überhaupt realistisch leistbar ist.“ Sie lasse die Menschen, die sie begleitet, oft einfach erzählen und zwar nicht mit Fragen wie „Warum geht es dir denn so schlecht?“, sondern eher in der Art „Gab es heute irgendetwas, das dich aus dem Tritt gebracht hat?“
Ob sie denn immer einen Rat habe? Ach, sie sei in ihrer Praxis oft auch schon in Situationen geraten, in denen sie auch nicht mehr weiter wusste. „Dann kamen mir oft ganz schräge Ideen. Irgendwann habe ich eine dieser Ideen einfach auch ausgesprochen und gefragt, ob sie für mein Gegenüber denn denkbar wäre. Und der Mann hat begonnen zu lächeln“, erzählte sie. Sie erzählte auch, dass es oft schon allein die Tränen seien, die trösten können oder sagen zu dürfen, dass man nicht mehr kann.
Das konnte auch Karl Bitschnau, seit 30 Jahren Leiter der Hospiz in Vorarlberg, nur unterstreichen. „Diese Ohnmacht auszuhalten, sich einzugestehen, dass man nicht die Macht hat“, das sei sicher etwas Entscheidendes und zugleich Krise und Chance. Die Hospiz Vorarlberg betreut heute mit sechs Teams rund 1500 Personen pro Jahr. Im Hospiz am See werden pro Jahr rund 130 Gäste begrüßt und begleitet. „Ich habe in meinen 30 Jahren in der Hospizarbeit gelernt, dass der Mensch sehr viel Leid ertragen kann, dass es auch viel Druck nimmt, etwas gemeinsam auszuhalten und dass es besonders wichtig ist, den Menschen in seiner Verletzlichkeit einfach ernst zu nehmen“, erzählte er. Die Angst vor dem Sterben sei übrigens oft weit größer, als die Angst vor dem Tod an sich. Und ja, Humor sei auch und besonders in dieser letzten Krise des Lebens wichtig für alle.
Viktor Frankl, der Begründer der Logotherapie, habe einst gesagt: „Humor ist die Waffe der Seele im Kampf um ihre Selbsterhaltung“, ergänzte Inge Patsch. Ja, im Hospiz am See werde auch gelacht, erzählte Karl Bitschnau weiter. Warum auch nicht? Hier begegnen sich Menschen auf Augenhöhe und wenn man sich so begegne – absichtslos, nicht aber ohne Interesse für den anderen – dann kann auch in der größten Krise miteinander gelacht oder auch geweint werden. Und das ist doch eine sehr gute Orientierungshilfe, wenn schon kein guter Rat.
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