Die Schule ist ein Ort, an dem sich die Gesellschaft im Kleinen spiegelt. „Kirche“ spielt u. a. in Form des Religionsunterrichts eine Rolle. Was heißt das für Sie in Ihrer Arbeit?
Diözesanbischof Wilhelm Krautwaschl: Was mir da sofort einfällt, ist, dass die Fragen der Menschen immer die gleichen sind und immer gewesen sind. In Nuancen verändern sie sich. Aber Kardinal König hat es einmal so formuliert: Woher komme ich? Wohin gehe ich? Was ist der Sinn meines Lebens? In unterschiedlichen Lebensphasen stellen sich diese Fragen sicher der Mehrheit. Auf diese Fragen versucht der Religionsunterricht Antwort zu geben. Wir haben als Kirche ein gutes Programm mit dem, was uns das Evangelium mitgibt. Es wäre für die Gesellschaft ein Verlust, wenn diese Ressource nicht genutzt wird. Das heißt aber auch, diese Ressource so zu nutzen, dass es nicht zur Aufsplitterung führt, sondern zum Zueinander.
Schulbischof Dr. Wilhelm Krautwaschl im Vorarlberg-Museum
Andrea Pinz: Im Bildungsbereich liegt für die Kirche ein großes Zukunftspotenzial. Was wir einbringen in das System „Schule“ ist, dass wir den Menschen nicht aufgefächert sehen in Mathematik, Physik, Englisch usw., sondern dass wir einen ganzheitlichen Zugang haben. Der Mensch als ganze Person und jeder Einzelne ist wertvoll und wichtig. Ich halte das für eine ganz große Stärke und darum sind wir auch heute ein bedeutender Player im Bildungswesen. Der Bildungsbereich hat eine Brückenfunktion zwischen Kirche und Gesellschaft. Der Religionsunterricht ist für mich ein Ort, wo viele Kinder und junge Menschen noch Kirche erleben, auch wenn sie mit Pfarre oder anderen religiösen Orten nicht mehr so verbunden sind. Davon profitiert der einzelne Mensch, davon profitiert die Gesellschaft und davon profitieren wir als Kirche.
Vernetzung wird auf allen Ebenen immer wichtiger. Wie gestaltet sich Vernetzung auf der Ebene der Schulamtsleitenden?
Annamaria Ferchl-Blum: Wir haben auf der Ebene der Schulamtsleiter:innen eine österreichweite Gruppe, die sich u. a. um zeitgemäße Lehrbücher kümmert. Das allein zeigt schon auf, dass wir ein Unterrichtsfach wie jedes andere sind. Wir halten uns an die Vorgaben des Ministeriums, an pädagogische und didaktische Vorgaben. Das wird bei uns so gemacht wie in allen anderen Fächern auch. In den Lehrbüchern haben wir dann abgebildet, was der Schatz unserer Religion ist – und zwar in einer kindgerechten und zeitgemäßen Form. Das ist ein ganz konkretes Produkt der Zusammenarbeit der Diözesen.
Religion als Unterrichtsfach hat es in der öffentlichen Diskussion nicht einfach. Platt gefragt, braucht das Fach eine Imagekorrektur?
Pinz: Ein zeitgemäßer Religionsunterricht, der auf die Menschen zugeht und sie ernst nimmt, das ist die beste Werbung. Von daher finde ich es für uns als Entscheidungsträger wichtig, die Lehrer gut mitzunehmen und zu betreuen. Dann ist es wichtig, manche Bilder vom eigenen Religionsunterricht aus dem Kopf zu bekommen. Daran zu arbeiten und zu zeigen, dass Religionsunterricht heute andere Aspekte hat, offen ist und die christliche Botschaft so vermittelt, dass er das Leben der Menschen begleitet und fördert, das ist das Entscheidende.
Bischof Wilhelm: Wir haben zur Kenntnis zu nehmen, dass sich in der Gesellschaft Veränderungen ergeben und sich nicht mehr alle Menschen zu einer Kirche oder Glaubensgemeinschaft bekennen. Ich glaube, dass der Religionsunterricht auch deshalb dazugehört, weil eben im Religionsunterricht – egal von welcher Konfession er geleistet wird – die Grundlagen dessen, wieso wir eben so und nicht anders leben, offengelegt werden. Es gibt ja auch keine grundlagenlose Ethik. Im Religionsunterricht stehen wir zu unseren Grundlagen und das ist so gesehen eigentlich der weitaus ehrlichste Umgang.
Ferchl-Blum: Es ist eine zentrale Aufgabe von uns, dass wir das Konzept und die Stärken dieses Faches immer wieder kommunizieren. Manchmal wird das auch so gesehen, dass wir ein besonderes Fach, mit einer besonderen Rückenstärkung sind. Vielleicht kann das auch eine Stärke sein, dass Religionslehrende wissen, sie gehören auch zur Kirche. Sie unterrichten einen Pflichtgegenstand, aber mit dieser Anbindung an die Kirche und sie bekommen von uns auch den ihnen zustehenden Support.
Pinz: Als Schulamtsleitende sind wir ja nicht nur für den Religionsunterricht verantwortlich, sondern auch für die katholischen Schulen und die Lehrerbildung. Das sind wichtige, auch gesellschaftlich relevante Felder. Mehr als 70.000 Schüler in Österreich besuchen katholische Schulen. Da haben wir Know-how und sind ein wichtiger Partner für die öffentliche Hand.
Stichwort katholische Privatschulen. Wird „katholisch“ immer mehr zum Gütesiegel?
Pinz: Gütesiegel darf nicht für „Eliteerziehung“ stehen, sondern dafür, dass unsere Schulen ein guter Leistungsanspruch auszeichnet und dass wir Verantwortung, Solidarität und Dialog leben.
Bischof Wilhelm: Schon am Beispiel der Trägervereine und Trägerinstitutionen der katholischen Schulen wird klar, was „Katholizität“ heißt. Das ist eine unglaubliche Breite, sowohl in den Angeboten – von den Pflichtschulen, den berufsbildenden Schulen bis hinein in die Hochschulen – als auch von den spezifischen Schwerpunktsetzungen an den einzelnen Schulen. Das ist „katholisch“; vielfältig eben.
Ferchl-Blum: Wir sind am Puls der Zeit. Im letzten Vernetzungstreffen der katholischen Privatschulen in Vorarlberg haben wir den Aspekt der Verpflichtung gegenüber dem Friedensengagement und dem ökologischen Engagement stark in Erinnerung gerufen. Die katholischen Schulen müssen aufzeigen, dass sie die Schüler und Schülerinnen – in Vorarlberg immerhin rund 7% – fähig machen, mit guten Haltungen den Fragen der Zeit zu begegnen.
Bischof Wilhelm: Weltweit betrachtet kommt noch ein Element dazu. Die katholischen Schulen sind gerade in Gegenden, wo allgemein wenig von staatlicher Seite gemacht wird, nicht wegzudenken aus der Bildungsarbeit. Damit werden Demokratieerziehung, Reifung im Menschsein und lebbare Würde ermöglicht.
Ethik- oder Religionsunterricht – was bringen Sie in diese Diskussion mit ein?
Pinz: Ethik ist für mich eine Art Rundreise. Man wandert durch unterschiedliche ethische Systeme, lernt sie kennen, setzt sich damit auseinander. Religion ermöglicht Beheimatung. In Religion habe ich einen Lehrer, der authentisch Zeugnis gibt von dem, was für sein Leben die Quelle ist. Das ist, glaube ich, der große Unterschied. Aus meiner Sicht funktioniert es für eine Schule dort, wo Religion und Ethik gut zusammenarbeiten, wo sie sich auch gegenseitig ergänzen.
Bischof Wilhelm: Interessant ist auch, dass die Kirchlich Pädagogischen Hochschulen (KPH) eine Qualifikation für Ethik anbieten und gerne gewählt werden als Ausbildungsstandort für das Fach. Dass das so ist, war nicht immer ganz verständlich, aber ich finde es der Sache nach ganz richtig. Dass da auch diese Kompetenz da ist an den Kirchlich Pädagogischen Hochschulen, auch dass eine besonders gute Pädagogik angeboten wird. Das hilft auch in der Zusammenarbeit. Wir haben von der Schulamtsleiterkonferenz her ein sehr geklärtes Verhältnis zum Ethik-Unterricht. So nehme ich es auf jeden Fall wahr.
Mit welchen Herausforderungen, mit welchen Themen werden Sie sich auf der Ebene der Schulamtsleitenden in fünf Jahren austauschen?
Pinz: Ich denke, wichtig ist, dass es unterschiedliche Wege geben muss, die zum Religionslehrerberuf qualifizieren. Wirklich mit dem Stichwort auf Qualifikation. Da ist natürlich die Vollausbildung entweder an den Unis oder an den KPHs. Es muss aber auch andere, berufsbegleitende Wege geben. Und der Besetzungsprozess muss kreativer sein. Das heißt, wir dürfen auch über Zusammenlegungen, über Gruppen, die konfessionsverbindend geführt werden, nachdenken. Da ist noch Potenzial.
Bischof Wilhelm: Eine zweite Geschichte ist, dass die Nachfrage an katholischen bzw. konfessionellen Privatschulen nicht aufhört. Das ist interessant, gerade vor dem Hintergrund, dass die Welt immer säkularer wird.
Ferchl-Blum: Es gibt ja Stimmen, die sagen, dass diese Säkularisierungsthese überhaupt nicht stimmt, sondern dass wir mittlerweile in einer ganz vielstimmigen weltanschaulichen Gesellschaft sind. Die Gefahr ist natürlich groß, dass das sehr in den Individualismus abdriftet und eben diese Vielstimmigkeit nicht miteinander abgestimmt wird. Deswegen glaube ich, auf einer tieferen Ebene, dass uns in den nächsten Jahren schon beschäftigen wird, dass der Religionsunterricht auch ein Ort sein wird, wo diese Vielstimmigkeit einen sehr zivilisierten Dialograum finden muss. Das wird uns auch zu kooperativen Modellen mit den anderen Weltanschauungen, Religionen und den Vielen, die vielleicht ohne konfessionelle Bindung sind, hinführen. VERONIKA FEHLE
Die Schulamtsleiter:innenkonferenz - kurz SALK - vernetzt die neun österreichischen diözesanen Schulämter sowie das Schulamt Bozen-Brixen und tagt mehrmals jährlich unter Vorsitz des Referatsbischofs Wilhelm Krautwaschl.
Die Schulamtsleiter:innenkonferenz kümmert sich u. a. um die Wahrnehmung und Wahrung aller schulpolitischen Interessen der Kirche auf Bundesebene und um Fragen in Aus-, Fort- und Weiterbildung von Religionbslehrenden.