Othmar Lässer, Verantwortlicher für die Kirchenführungen bei der Kath. Kirche Vorarlberg weiß, dass Kirchen wunderbare Räume sind, um bei Menschen mit Beeinträchtigung Erinnerungen und Erlebnisse zu wecken. „Es ist immer berührend, wenn sich Teilnehmende einbringen“, erzählt der Diözesankonservator. Beispielsweise, wenn Menschen beginnen vor einer Marienstatue oder einem Antoniusbild aus ihrem Leben zu erzählen. „Kirchenführungen können den Alltag unterbrechen und für manchen kann es auch die Gelegenheit sein, in einen heimatlichen Raum zurückzukehren und vertrauten „Kirchenduft“ zu schnuppern“, berichtet der Diözesankonservator.
Eine Demenzerkrankung stellt prinzipiell die Frage nach Würde, Autonomie und Identität des Menschen. Othmar Lässer sagt: „In der christlichen Tradition ist die Idee der Menschenwürde mit der Gottebenbildlichkeit des Menschen eng verknüpft. Jede Person, egal in welchem Zustand sie sein mag, besitzt vor und durch Gott eine unverlierbare Würde.“ Dazu gehört auch, dass Bedürfnisse anerkannt werden und diese als einen Teil der Autonomie zu achten.
„Kunst und Kultur hat mich schon immer sehr interessiert und ich habe dann in Zusammenarbeit mit der Stadt Bregenz angefangen Stadtführungen für Menschen mit Beeinträchtigung anzubieten“, erzählt Anita Ohneberg. Aus diesem Ansatz und ihrer beruflichen Erfahrungen hat sich das Projekt Kirchenführungen für Hochbetagte und Menschen mit Demenz entwickelt. „Es geht für mich einfach darum, wie ich die Menschen ansprechen und einen Bezug zu ihnen herstellen kann.“ Das funktioniert zum Beispiel so: Zu Beginn der Führung darf sich jede Teilnehmerin aus einem großen Sack ein kleines Knistersäckchen herausnehmen und schauen, was drinnen ist. „Hier möchte ich Spannung erzeugen, um die Menschen in ihrer Aufmerksamkeit zu aktivieren.“ Und es wichtig, sprachliche Brücken zu den Menschen zu bauen. Das macht Anita Ohneberg über biographische Fragen, Redewendungen und Assoziationen und gibt ein Beispiel: „Was für ein Gefühl hast du, wenn die Glocken läuten?“ Oder: „Was gibt es noch für Glocken?“ Das sind Fragen, die Erinnerungen und Gefühle wecken. Die Kirchenführerin erinnert sich an eine Situation: „Einmal kam das Seil an der Glocke zur Sprache, da meinte eine Frau ‚da kann ich meine Wäsche aufhängen‘“. Auch bekannte Redewendungen wie zum Beispiel „an einem Strang ziehen“ lassen Erinnerungen sprudeln. Didaktisch ist es sinnvoll, so Ohneberg, bei den Führungen immer die ganze Gruppe anzusprechen: „Damit ist die Hemmschwelle geringer sich persönlich einzubringen.“ Eines ist klar, sagt die Fachsozialbetreuerin: „Jede Antwort ist richtig.“
Momentan finden 2-3 Führungen für hochbetagte und demente Menschen im Jahr statt, die sowohl bei den Teilnehmer:innen wie Angehörigen und Betreuer:innen großen Anklang finden. Ziel von Anita Ohneberg und Othmar Lässer ist es, über die nächsten Jahre ein größeres Netzwerk aufzubauen und in Kooperation mit Senioren- und Pflegeheimen mehr Kirchenführungen für Menschen mit Demenz anbieten zu können.