Rosemarie Tracy beschäftigt sich schon seit vielen Jahren mit den Themen Spracherwerb und Mehrsprachigkeit. Sie ist Seniorprofessorin an der Universität Mannheim und Autorin mehrerer Bücher. Kürzlich war die renommierte Sprachwissenschaftlerin beim Symposium „Kindheit, Jugend und Gesellschaft“ in Bregenz zu Gast und referierte tags darauf im WirkRaum in Dornbirn. Das internationale Symposium wird vom Netzwerk „Welt der Kinder“ organisiert, bei dem auch die Caritas Vorarlberg Partnerin ist. „Sprache zählt zu unseren komplexesten Fähigkeiten“, betonte Tracy gleich zu Beginn ihres Vortrags, dem auch Caritasdirektor Walter Schmolly, und Bea Bröll, Stellenleiterin der Caritas Lerncafés, interessiert lauschten.
Sprechen ist sowohl kognitiv, motorisch als auch sozial anspruchsvoll. Rosemarie Tracy machte das an einem humoristischen Beispiel für die Zuhörenden deutlich: „Wenn wir unseren Nachbarn mit seinem neuen Hund treffen, dann sagen wir nicht: Na, wie heißt denn der Köter?“, und fügte hinzu: „Wir haben einen inneren Monitor, der uns sagt, was angepasst ist und was nicht.“ Beim Erwerb einer neuen Sprache kommen noch andere Faktoren, wie zum Beispiel neue Laute, dazu. Gleichzeitig sind Sprachen laut Rosemarie Tracy unser soziales Kapital: „Sie verraten viel über uns selbst, wer wir sind, woher wir kommen. Sie sind Teil unserer Identität.“ Sprache ist einerseits eine angeborene Fähigkeit, für das Erlernen einer Sprache benötigt es aber auch reichhaltigen Input. „Die Umgebung ist sehr wichtig. Man sollte mit Kindern natürlich kommunizieren und Strukturen variieren“, erklärte die Referentin.
„Eine Person, eine Sprache“ lautet eine weit verbreitete Regel, wenn es um mehrsprachige Kinder geht. Grundsätzlich unterstützt Tracy dieses Prinzip. Allerdings gilt es immer, sich die Situation in der Familie genau anzusehen. „Es gibt nicht diesen einen richtigen Weg“, stellte Tracy klar. Eltern, die aus einem anderen Land hergezogen sind, und deren Kinder mehrsprachig aufwachsen, fühlen sich oft einem enormen Druck ausgesetzt. „Sprache kann ein heikles Thema sein. Sie ist oft Zankapfel in Familien. Hier bekommen sie Vorwürfe, dass sie die Landessprache noch nicht so gut beherrschen. Und wenn die Kinder die Familiensprache nicht perfekt sprechen, äußern sich die Verwandten im Herkunftsland kritisch. Dabei ist zu beachten, dass sich auch die Sprache im Herkunftsland ändert, weil Sprache dynamisch ist und sich stets verändert.“ In solchen Situationen sei es sehr wichtig, Druck herauszunehmen und für Entspannung zu sorgen. „Für Eltern ist es ganz wichtig zu wissen: Kinder haben Spaß an sprachlichen Formen.“, so die Referentin. Wenn die Rahmenbedingungen passen, wie etwa ein intensives und variantenreiches sprachliches Angebot, ist der Spracherwerb für Kinder, ob Erstsprache oder weitere Sprache, ein Selbstläufer.