Von Veronika Fehle
„Die Nie-wieder-Stimmung weicht einer Schon-wieder-Stimmung“, stellt Elisabeth Heidinger, Geschäftsführerin des Carl Lampert Forums fest. Sie hat wohl recht damit, untermauert sie ihre Feststellung doch mit einer kurzen, aber treffenden Rundumschau auf unsere derzeitigen Lebensumstände: „Die Omnipräsenz der Krisenherde, die zurzeit zu einer Besonderheit unseres Lebens geworden sind, stellt uns vor eine gewisse Rat- und Orientierungslosigkeit. Wir sind derzeit im Begriff, das privilegierte Gefühl des sicheren Lebens der Nachkriegszeit zu verlieren.“
Was bedeutet es denn (auch) für uns, wenn immer neue Kriegsfronten aufspringen? Was bedeutet es (auch) für uns, wenn Sicherheit und das Gefühl der Freiheit zur Ausnahmeerscheinung werden? Die weltweiten Kriegs- und Terrorängste machen betroffen und betreffen auch das Lebensgefühl und die Art des Zusammenlebens hier in Vorarlberg. Demokratien gingen, so erklärt Heidinger, ja nur in den allerseltensten Fällen in einem gewalttätigen Umsturz zugrunde. Die Demontage von Demokratien ginge oft schleichend vor sich, bis „sie schließlich mittels autoritärer Verführung im Inneren“, so Elisabeth Heidinger weiter, an den Wahlurnen abgewählt werden.
Das alles gab es bereits mehrfach, wie ein Blick in die Geschichte des menschlichen Zusammenlebens zeigt. Sind wir heute wieder an so einem Punkt? Geht die Welt wieder im „Gleichschritt“, wie auch der Titel der Carl Lampert-Wochen 2023 lautet. 22 Veranstaltungen finden unter diesem Titel vom 4. November 2023 bis zum 3. April 2024 statt. Was dabei auffällt, ist die konsequente Beschäftigung mit den konkreten Geschichten vor Ort. Nur ein Beispiel dafür, ist der Abend „Durch vergiftete Zeiten“ in der Tschaggunser „Diele“. Dort taucht man mit den autobiografischen Erinnerungen des Vorarlberger Komponisten Georg Friedrich Haas ein in seine Kindheit und Jugend. Die Ideologie des NS-Regimes war dabei noch allgegenwärtig. Die Trennschicht zwischen „das war damals“ und „das ist heute“ war an vielen Orten hauchdünn.
In Feldkirch-Tisis erinnert man sich gemeinsam mit dem Historiker Wolfgang Weber an den Tag, an dem mit dem Bombenabwurf über Tisis der Weltkrieg ganz unmittelbar in das Leben dieser Gemeinde kam. Und so ließe sich die Liste des Lampert-Wochen-Programms fortsetzen mit Beispielen, die Geschichte konkret erleben lassen. Schön auch und nicht mehr aus dem Programm der Lampert-Wochen wegzudenken, sind die Kooperationen mit Schulen. In diesem Jahr bietet Elisabeth Heidinger vom Lampert-Forum den Schulen ein Themenpaket an, das eine Beschäftigung mit den Themen „Gleichschritt“ und „Mut (zum Widerstand)“ vorschlägt.
Hermann Weiskopf, der einen preisgekrönten Film über den Tiroler Priester Otto Neururer gedreht hat, stellt sich dabei den Fragen der Schüler:innen über seine Arbeit und die Faszination an Menschen, die es wagen gegen den Strom zu schwimmen.
„Erinnern. Leben. Gestalten“, diese drei Begriffe hat sich das Lampert Forum selbst ins Programm geschrieben. Auf den schmalen Grat zwischen „Nie-wieder“ und „Schon-wieder“ hinzuweisen, wird das Lampert-Forum deshalb nie müde – gerade auch heute.
Aus dem Vorarlberger Kirchenblatt Nr. 41 vom 2. November 2023