Wort zum Evangelium
Es ist keine leichte Kost, die uns mit diesem Evangeliumsabschnitt vorgesetzt wird. Wo ist die „gute“ Nachricht? Wie so oft im Matthäusevangelium
wird zunächst ein Gleichnis erzählt, zu dem die Hörenden sagen werden: „Ich stimme dem zu und würde es genauso machen.“ Für die damaligen Hörer:innen und Leser:innen war klar: Wenn hier vom Weinberg erzählt wird, dann geht es um das Volk Gottes. Weil sich all die Angesprochenen derart unmöglich gegenüber dem Winzer, also Gott, verhalten, steht Gott vor der Herausforderung, zu sehen, wie es jetzt gut weitergehen kann.
Im zweiten Teil der Erzählung versucht Matthäus zu beschreiben, was er um das Jahr 85 in seiner Gemeinde in der syrischen Hafenstadt Antiochia gerade erlebt: Viele Juden sind nicht bereit, den Glauben an den auferstandenen Christus anzunehmen. Dafür kommen Heiden und schließen sich der Gemeinde an. Leider wurde dieser zweite Teil der Erzählung oft ganz anders gelesen, nämlich als Abwertung und Verdammung der Juden.
Wer immer die Bibel wörtlich liest, kann das hier herauslesen. Allerdings geht es bei Bibeltexten darum, den Text ernst zu nehmen – nicht wörtlich. Matthäus versucht mit dieser Interpretation zu deuten(!), warum so viele Juden Jesus ablehnen – und gleichzeitig Heiden Jesus nachfolgen. Wie bei jedem Text in den Evangelien gilt: Wir haben nicht die Mitschrift der Worte Jesu vor uns, sondern Glaubensaussagen seiner Nachfolgenden.
Und diese wollen bis heute einladen:
„Bring die Früchte des Reiches Gottes“!
Franz Kogler ist promovierter Theologe.
Er war bis 2022 Leiter des Bibelwerks Linz.