von Wolfgang Ölz
Sie haben am 1. September 2018 im Kleinwalsertwalsertal als Pfarrmoderator im Pfarrverband Kleinwalsertal begonnen. Wie haben sich die fünf Jahre hier in Riezlern, Mittelberg und Hirschegg für Sie entwickelt?
Pfarrmoderator Edwin Matt: Es sind zwei Langzeitvorgänger hier gewesen. In Riezlern Pfarrer Konrad Natter und in Mittelberg und Hirschegg Pfarrer Josef Walter. Daher war mein Amtsantritt für alle drei Pfarrgemeinden eine große Veränderung, weil sie ihren jeweiligen Pfarrer ganz lange gewöhnt waren, von der Arbeitsweise her und anderem mehr. Diese Übergangsgeschichte war für die Menschen eine Herausforderung. Für mich war es ein komplett neues Anfangen an drei verschiedenen Orten, die einen Pfarrverband bilden. Aber nicht nur für mich war es ein Neubeginn. Auch alle pfarrlich Engagierten mussten sich umstellen und ich musste mich auf sie einstellen. Das ist immer eine wechselseitige Geschichte, aber im Wesentlichen sind wir da insgesamt sehr gut unterwegs. Das Thema Gottesdienstzeiten ist natürlich virulent. Wo bin ich als Priester wann? Der Pfarrgemeinderat besteht aus 15 Personen, je fünf Personen aus jeder Pfarre, während jede Pfarre einen eigenen Pfarrkirchenrat hat. Deswegen gibt es relativ viele Sitzungen und Besprechungen. Hauptamtliche sind eine Pfarrsekretärin, ein Pastoralassistent und ich als Moderator.
Wie ist das Verhältnis zur Diözese, immerhin sind ja die Berge dazwischen?
Matt: Die Berge sind auch katholisch (lacht). Die Kontakte sind hauptsächlich über das Dekanat Vorderwald/Kleinwalsertal, Dekan ist Hubert Ratz in Hittisau. Die geographische Lage ist für schnelle Klärungen nicht so einfach, weil der Weg nach Feldkirch doch eine ordentliche Reise ist.
Wie ist die Zusammenarbeit im Pfarrverband zwischen den einzelnen Pfarren?
Matt: Jede Pfarre ist für sich rechtlich unabhängig, neu ist, dass man darüber reflektiert, was können wir als Einzelpfarre gut, das die anderen beiden Pfarren auch wahrnehmen könnten? Schon lange kommt zum Beispiel ein Firmspender für das ganze Tal. Bei der Erstkommunion ist die Vorbereitung im Pfarrverband gemeinsam und die unmittelbare Erstkommunionfeier haben wir dieses Jahr an allen drei Orten einzeln durchgeführt. Bei den Beerdigungen hat sich im Zuge von Corona sehr stark eingebürgert, dass die Verabschiedungen im kleinen familiären Kreis passieren. Da sind wir momentan in einer konzeptionellen Phase, auch in Verbindung mit der evangelischen Kirche. Wie wollen wir, dass Abschied und Trauer bei uns gefeiert werden? Es gibt ein Gefühl für die Talschaft, für die einzelnen Pfarren und auch eine starke Verbindung zur evangelischen Kirche. Wir waren auch die ersten, die als Pfarrverband einen neuen Namen bekommen haben. Wir sind der Pfarrverband Kleines Walsertal.
In Ihrer Zeit in Bregenz haben Sie viel für die Ökumene in der Landeshauptstadt getan. Konnten Sie dieses Engagement im Kleinwalsertal fortsetzen?
Matt: In Bregenz hatte ich eine freundschaftliche Beziehung zu Pfarrer Ralf Stoffers und seiner Familie. Auch im Kleinwalsertal ist mir die Beziehung zur evangelischen Kirche besonders wichtig. Die Anzahl der evangelischen Christ:innen im Tal dürfte ca. 550 sein, während es ca. 2500 Katholik:innen gibt. Dieses Verhältnis ist für Österreich relativ hoch. Außerdem kommen auch viele orthodoxe Christ:innen dazu, die im Tourismus tätig sind. Da gibt es etwa Menschen aus Mazedonien und Rumänien. Dann gibt es noch die Menschen ohne Bekenntnis. Da sind einerseits die Ostdeutschen, die ohne Bekenntnis aufgewachsen sind und andererseits die Ausgetretenen, die ja getauft sind. Muslim:innen spielen keine Rolle. Das war damals in Mariahilf anders, wo ich den Kontakt zur ATIP-Moschee pflegte.
Sie bieten immer wieder biblisch-kontemplative Exerzitien im Kloster Mariastern Gwiggen mit Schwester Maria Stella und der Professorin für Bibelwissenschaften in Paderborn, Christiane Koch, an. Was hat es damit auf sich?
Matt: Pater Franz Jalics SJ, der 1976 von der Militärjunta in Argentinien inhaftiert wurde und völlig im Ungewissen war, ob er diese Entführung überleben würde oder nicht, hat in dieser schwierigen Zeit im Gefängnis seine Art der Meditation entwickelt. Dabei geht es darum, nur da zu sein und zu atmen. Christiane Koch lebte eine Zeit lang im von Pater Franz Jalics SJ gegründeten Exerzitienhaus in Deutschland in Gries im Wilhelmsthal. Übrigens war auch Pfarrer Ernst Ritter ungefähr zwei Jahre in diesem Exerzitienhaus und auch ich habe, nach meiner aktiven Zeit in Andelsbuch, drei Monate im Exerzitienhaus von Pater Franz Jalics SJ verbracht.
Wie verbinden Sie als diözesaner Weltpriester das Kontemplative mit Ihrer aktiven Arbeit?
Matt: Für mich ist es etwas total Wichtiges, am Morgen eine gesicherte Zeit zu haben, in der ich versuche, aufmerksam und wach, einfach da zu sein. Das ist normalerweise mein Start in den Tag bevor ich zu den Leuten gehe. Das ist etwas, das mich nun seit vielen Jahren treu begleitet. Deswegen biete ich mit Christiane Koch diese acht Tage an, eine gesicherte Zeit, um sich ausschließlich im Sitzen und im Meditieren zu üben.
Was wünschen Sie sich von der Diözese in Feldkirch? Wie können Sie in ihrer pastoralen Arbeit wesentlich unterstützt werden?
Matt: Es ist immer wieder ein Thema, dass man von Verwaltungsangelegenheiten entlastet werden soll. Das ist allerdings in der Praxis nicht wirklich erkennbar. Ich bin phasenweise sehr mit Bautätigkeiten und Verwaltungsagenden zugedeckt. Ich habe da nicht den Eindruck, dass da große Schritte gesetzt werden. Vielleicht ist es ein Nachteil, dass wir geographisch so weit entfernt sind. Zur Zeit haben wir in allen drei Pfarreien große Bauvorhaben: Die Sanierung der Kirche in Baad, in Mittelberg geht es um den barrierefreien Zugang, in Hirschegg ist das Mesnerhaus mit Fassade und Fenstern ein großes Thema und in Riezlern wird die Sockelsanierung der Pfarrkirche sowie die Planung vom neuen Pfarrhaus durchgeführt. Überall sollte ich mit dabei sein. Das geht sich einfach nicht aus. Indische und rumänische Mitbrüder sind mit solchen schwierigen Bauaufgaben und anderen komplexen Verwaltungsaufgaben überhaupt schlicht und einfach überfordert.
Woran denken Sie, wenn Sie sich an Ihre früheren Einsatzorte in Andelsbuch und Mariahilf in Bregenz erinnern?
Matt: Es sind ganz unterschiedliche Orte. Andelsbuch ist ein großes Dorf. In diesem Dorf Dinge zu bewegen und umzusetzen, ist wirklich etwas Besonderes. Mariahilf ist die größte Pfarre in Bregenz. Es ist eine Stadtrandpfarre mit einer völlig anderen Situation. Mit einer hohen Fluktuation und einem hohen Wechsel an Leuten, die im Pfarrgebiet wohnen, arbeiten, in die Schule gehen oder im Kindergarten betreut werden. In der Zeit als ich in Vorkloster war, war die Frage der Bettler:innen dringlich. Wir haben damals einen Besuchsdienst eingerichtet. Wir haben gesagt, wenn wir Kirche leben, dann sind sie unsere Gäste. Allerdings müssen sie sich auch als Gäste verhalten, können sich nicht einfach selbst bedienen usw.
Im Kleinen Walsertal ist dagegen alles sehr touristisch geprägt. Auf 5500 Einwohner:innen kommen in der Hauptsaison an die 13.000 Gästebetten und an die 4000 Bedienstete wie Servicepersonal, die im Tourismus arbeiten. Dazu kommen an schönen Tagen noch einmal 10.000 Tagestourist:innen aus dem Allgäu. Dann ist das Tal wirklich voll.