Der Kristberger Flügelaltar ist wieder vollständig. Der Direktor des vorarlberg museum, Andreas Rudigier, erzählt in der KirchenBlatt-Serie „Mein Lieblingskunstwerk“ von der Wiedererringung des bedeutenden Altars für die Öffentlichkeit.

Andreas Rudigier

Das vorarlberg museum bewahrt ein spätgotisches Kleinod auf, das sowohl in seiner kunsthistorischen Bedeutung als auch durch die Geschichte seiner Provenienz eine herausragende Stellung einnimmt: den Kristberger Flügelaltar von 1478.
Der im geschlossenen Zustand nur gut 80 Zentimeter breite Flügelaltar zeigt in seinem Schrein Skulpturen der hll. Matthäus, Georg und Wolfgang, auf den Flügeln sind die hll. Urban und Thomas Becket zu sehen, und die Außenseite wird durch ein Bild des Bergbaupatrons Daniel bestimmt. Das Werk entstand in mehreren süddeutschen Werkstätten, der Altar mit den Figuren wohl bei Ivo Strigel in Memmingen und die Malereien in einer Kemptener Werkstatt.

Die rückseitige Aufschrift „Silberberg“ gibt einen Hinweis auf den einstigen Bestimmungsort Silbertal, das bis ins 17. Jahrhundert unter der Bezeichnung „St. Nikolaus im Silberberg“ bekannt war. Der Altar war einst für die Pfarrkirche des kleinen Örtchens mit großer Bergbauvergangenheit geschaffen worden. Er kam vermutlich in der Barockzeit nach St. Agatha am Kristberg, ehe er im späten 19. Jahrhundert in einem Lager der Schrunser Malerfamilie Bertle gesichtet und 1887 als kunsthistorische Besonderheit auf der Landesausstellung in Bregenz gezeigt wurde.

Odyssee des Altars.

Die Odyssee des Flügelaltares sollte 1902 dann so richtig beginnen. Pfarrer Nachbaur aus Silbertal verkaufte den Altar an eine private Adresse, um damit einen Teil der Schulden, die sich mit dem Bau der neuen Silbertaler Pfarrkirche ergeben hatten, zu decken. Versuche, den Altar zurückzuholen, scheiterten, und die neue Besitzerin verkaufte den Altar schließlich weiter. Ab 1911 befand sich der Altar im Ausland, seine Spuren verlaufen sich nach einem Hinweis über seinen ersten Aufenthaltsort in Hannover für ein halbes Jahrhundert. Zweimal hätte man den Altar auf Auktionen wieder haben können, aber private Interessenten waren in den 1960er- und 1970er-Jahren stärker als das Land Vorarlberg. Leider war inzwischen auch die Schreinmittelfigur des hl. Georg durch eine andere gotische Georgsfigur ersetzt worden.
2015 war es dann so weit: Das vorarlberg museum kaufte bei einer Münchner Auktion den Kristberger Flügelaltar nach 113 Jahren wieder nach Vorarlberg zurück. Und 2019 fand die Geschichte des Kristberger Flügelaltares vorläufig ihr perfektes Ende: Der originale Georg konnte auf einer Kunstauktion in Köln gesichtet und schließlich angekauft werden. Seit März dieses Jahres ist der Kristberger Flügelaltar wieder im Original zu sehen. Das vorarlberg museum zeigt ihn in seiner Ausstellung „vorarlberg. ein making-of“. «

Zur Person

Andreas RudigierAndreas Rudigier, geb. 1965 in Bludenz, in Gaschurn im Montafon aufgewachsen, Besuch des Bundesgymnasiums in Bludenz, Studium der Kunstgeschichte und der Rechtswissenschaften (Innsbruck), 1997 in Kunstgeschichte mit einer Arbeit zum Tiroler Barockbildhauer Johann Ladner (1707–1779) promoviert, 1998–2000 Mitarbeiter beim Bundesdenkmalamt in Salzburg, 2000–2011 Leiter der Montafoner Museen, seit 2011 Direktor am vorarlberg museum; verheiratet, 2 Kinder; Rudigier verfasste zahlreiche Publikationen zur Kunst- und Kulturgeschichte Vorarlbergs und angrenzender Gebiete sowie zu museologischen Themen.   Wolfgang ölz   Foto: Darko Todorovic / VM

(aus dem Vorarlberger KirchenBlatt nr. 18 vom 30. April 2020)