Während man anderswo den Pflegenotstand fürchtet, zeigt man sich im Feldkircher Antoniushaus gut aufgestellt. Die Bilanz fürs Jahr 2018 ist positiv – und der Blick in die Zukunft auch.

„Denk ich an Pflege in der Nacht, dann bin ich um den Schlaf gebracht“ könnte eine Adaption der Nachtgedanken von Heinrich Heine lauten, wenn man durch die Schlagzeilen blättert: Pflegenotstand, Personalmangel, fehlende Betten – das Bild, das sich zeichnet, ist düster. Gabriele Fellner, Pflegedienstleiterin im Antoniushaus am Feldkircher Blasenberg kann das nicht ganz nachvollziehen. Sicher: Auch sie würde sich freuen, wenn der 20 Jahre alte Mindeststellenschlüssel endlich eine Aktualisierung erführe oder die Tarife in der Altenpflege denen im Spital gleichgestellt würden. Aber ganz konkret, in ihrem eigenen Haus, ist von all der Not nicht viel zu spüren. Das Alters-, Wohn- und Pflegeheim der Kreuzschwestern war im vergangenen Jahr zu hundert Prozent ausgelastet, schreibt solide schwarze Zahlen und kann auch in Personalfragen nicht klagen. „Seit zwei Jahren muss ich manchmal sogar BewerberInnen ablehnen, weil ich voll besetzt bin“, erzählt sie beim Pressefrühstück zur Jahresbilanz.

Ein Haus mit Tradition

Dass das eine Momentaufnahme ist und morgen schon wieder ganz anders aussehen kann, weiß sie auch – trotzdem: Im Haus am Blasenberg scheint manches anders, vielleicht besser zu laufen als anderswo. Geschäftsführer Thomas Vranjes erklärt sich das auch mit der besonderen Gemengelage vor Ort: Seit 1899 residieren die Barmherzigen Schwestern vom Heiligen Kreuz an dieser Stelle, zunächst mit einem Exerzitienhaus, später mit einem Internat und seit den 1970er Jahren mit einem Alters-, Wohn- und Pflegeheim. 2011 und 2012 wurde das Haus generalsaniert und erweitert. Auch, wenn die Geschicke der Einrichtung inzwischen zu größeren Teilen in weltlichen Händen liegen, sind die Schwestern aus dem Tagesgeschäft nicht wegzudenken. Dieser besondere Geist, das christliche Fundament, so Vranjes, sei für alle spürbar. Er sorge dafür, dass sich BewohnerInnen aufgehoben fühlten, MitarbeiterInnen und Ehrenamtliche wertgeschätzt, Angehörige entlastet und Gäste willkommen.

Und dann sind es Entscheidungen wie die, das Haus als „Haus der Generationen“ zu führen, wo sich beispielsweise Seniorinnen und Senioren und die Kids aus dem hauseigenen Kindergarten immer wieder begegnen – am neuen, offenen Mittagstisch, bei gemeinsamen Feiern oder in Form von Klangfetzen, die der Wind durch die geöffneten Fenster weht. „Wir sind ein Ort zum Leben und kein Hotel“, meint Vranjes.

Nicht auf die Politik warten

Ähnlich bewusst sei der Entschluss gewesen, noch vor entsprechenden politischen Signalen auf eine Art „Pflegelehre“ für PflichtschulabsolventInnen zu setzen. „Gutes Personal suchen alle Einrichtungen händeringend“, erklärt Beiratsvorsitzender Clemens Schmölz. Es sei darum nur konsequent, in die Aus- und Weiterbildung zu investieren und für ein gutes Arbeitsklima zu sorgen. „Lebensbiografische Arbeitsplätze“ nennt Fellner das: Weil die Belegschaft zu fast 90 Prozent aus Frauen besteht, die vielfach auch daheim Verantwortung für Kinder oder pflegebedürftige Angehörige tragen, ist man in der Dienstplanung um Flexibilität bemüht. Denn ausgeglichene MitarbeiterInnen sorgen sich engagierter um die BewohnerInnen, deren Zufriedenheit wiederum für die hohe Auslastung und damit gute Bilanzen sorgt, deren Erträge man dann in die weitere Verbesserung der Arbeitsbedingungen investieren kann, von denen alle profitieren.

Die guten Seiten der Pflege

Nachrichten von der Insel der Glückseeligen? Ein bisschen. Trotzdem gibt es auch am Blasenberg noch Potential: Das Angebot für die Tagespflege wird beispielsweise bisher weniger genutzt als erhofft, was teilweise an der fehlenden Infrastruktur liegt: „Wir wünschen uns eine Bushaltestelle Antoniushaus“, erklärt Schmölz, denn die würde die Erreichbarkeit der Hanglage für SeniorInnen deutlich verbessern. Und natürlich wäre es schön, wenn die „richtige“ Pflegelehre käme – auch, wenn klar ist, dass die den hohen Bedarf an Fachpersonal nicht deckt: „Wir brauchen nicht nur Diplomierte, sondern vor allem Menschen am Bett“, formuliert es Fellner, nicht zuletzt im Blick auf den Altersdurchschnitt und die Pflegebedürftigkeit, die auch im Antoniushaus Jahr für Jahr steigen. Dass die Lehre ein unkomplizierter Einstieg für jene ist, die „Was mit Menschen“ machen möchten, zeigen die drei Auszubildenden Fabienne, Yasmin und Jennifer. Als „Betriebsdienstleistungskauffrauen“ lernen sie vor allem, wie die verschiedenen Arbeitsbereiche von Verwaltung, Hauswirtschaft und Betreuung ineinander verzahnt sind – und was es heißt, Menschen zu begleiten. „Viele der BewohnerInnen haben viel erlebt und entsprechend viel weiterzugeben“, erzählt Yasmin. „Es wird so oft so schlecht von der Pflege gesprochen“, meint Fellner. Auch, wenn es natürlich manchmal extrem anspruchsvoll und belastend sei – die schönen Momente, die Dankbarkeit und Zufriedenheit, die gebe es eben auch. Im Antoniushaus auf jeden Fall.

Zahlen 2018

  • 62 Pflegeplätze, 4 Urlaubs- und Kurzzeitpflegeplätze, 15 Tagesbetreuungsplätze
  • 66 BewohnerInnen, von denen ein Drittel zwischen 80 und 90 Jahre alt ist
  • 76 MitarbeiterInnen, davon 45 in der Pflege
  • 14 Ehrenamtliche
  • 300 Essen täglich beim offenen Mittagstisch bzw. in der "Küche für Kinder", die Kinderbetreuungseinrichtungen im Umkreis via Elektroauto beliefert