Seit der Europäische Gerichtshof die bisher gültige Feiertagsregelung aufgehoben hat, ist der Karfreitag in aller Munde. Und doch: Es geht am Karfreitag um mehr als um einen freien Tag. Gedanken zum heutigen Feiertag von Bischof Benno Elbs.

Der Gekreuzigte. Ein Mensch mit gebundenen Händen, festgenagelt auf Urteile, die sich andere über ihn gemacht haben. Bloß- und zur Schau gestellt. Ohnmächtig und allein gelassen. Verwundet. Viele gegen einen. Auch ein Bild unserer Zeit?

Hass und Liebe – diese zwei Grunddimensionen des Lebens bestimmen das Osterfest. In der Hinrichtung Jesu am Kreuz prallen sie aufeinander. Verleumdung, Spott, körperliche Gewalt, Folter und schließlich der Tod stellen sich gegen die Lebenshaltung Jesu, die sich in Liebe zu den Menschen hinunterbeugt; die eingliedert und nicht ausschließt; die vergibt und nicht verurteilt. Mit dieser Haltung brachte Jesus jedoch die religiöse und politische Ordnung durcheinander. „This Jesus must go!“ – „Dieser Jesus muss weg“, singt der Chor im Musical „Jesus Christ Superstar“. Der Weg der Liebe endet im Kreuzweg, in der Passion.

In-Frage-Stellungen

Der Karfreitag macht die dunkle Seite des Lebens sichtbar und stellt sich somit gegen die weit verbreitete Tendenz, das Leid wegzuschieben und so zu tun, als ob es nicht da wäre. Die Not anderer wirft unangenehme Fragen auf: Wie sieht es mit meiner Solidarität aus? Warum geht es mir besser als den anderen? Und warum gibt es überhaupt Leid? Am Karfreitag kann man den „leidigen“ Themen des Lebens nicht ausweichen. Man muss sich ihnen stellen. Diese Fragen hören und sie aushalten lernen, ist ein erster, wichtiger Schritt.

Dass diese dunkle Seite des Lebens nicht ausradiert werden muss, ist eine tröstliche Botschaft der drei österlichen Tage. Den Ostersonntag gibt es nicht ohne den Karfreitag, die Auferstehung Jesu nicht ohne seinen Tod. Beides gehört zusammen. Ostern macht den Tod Jesu nicht vergessen. „Wer im Jubel der Ostersonntagsansprache nichts mehr vermisst, der hört nicht die Osterbotschaft, sondern einen antiken Siegermythos.“ (J. B. Metz) Damit ist gemeint: In den Halleluja-Rufen des Ostermorgens müssen auch noch jene Stimmen zu hören sein, die mit Jesus am Karfreitag die Abwesenheit Gottes beklagt haben: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ Die Opfer der Geschichte dürfen nicht vergessen werden. Selbst der Auferstandene Jesus ist kein Held, vielmehr wird er von den Jüngern an seinen Wunden erkannt. Die Wunden Jesu wurden zu einem Prägemal.  

Perspektiven

Feiertage sind mehr als Freizeit. Sie unterbrechen den Alltag und bringen uns zum Nachdenken über die wichtigen Fragen des Lebens. Die Realität des Todes und das Schicksal der Leidenden ist eine davon. Das besondere des Karfreitags liegt in der Perspektive, die er aufreißt. Der Tod Jesu würde sich in die vielen sinnlosen Martertode der Geschichte einreihen, wäre da nicht der Blick auf die anderen, auf uns. „Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt.“ (Joh 15,13) Jesus ist gestorben aus Liebe zu den Menschen. Dieses große Freundschaftsangebot gilt auch uns. Damit wird ein Weg in aller Ausweglosigkeit erahnbar. Und das Tor zur Osterhoffnung sanft aufgestoßen.

Bischof Benno Elbs