„Schön, dass wir über altern sprechen dürfen und vorneweg, was ich ihn heute erzähle ist wissenschaftliche Erkenntnis und keine Spekulation. Wir schauen mal ein bisschen zurück, gut altern, altern ohne Erkrankungen, alt werden ist ein Menschheitstraum“, eröffnet Professor Bauer seinen Vortrag und erläutert, dass der Traum vom guten Altern zum ersten Mal im Gilgamesch-Epos in der Menschheitsgeschichte auftaucht. In der Legende vom heiligen Gral. Der heilige Gral, so Bauer, ist bei Wolfram von Eschenbach ein Stein. „Wer den Stein berührt der erkrankt nicht, der altert nicht. Aber ich glaube wir haben ihn noch nicht gefunden, wir suchen noch.“ Jürgen Bauer wirft ein weiteres Bild auf die Leinwand: Zu sehen ist „Der Jungbrunnen“ von Lucas Cranach dem Älteren. Der deutsche Maler hat dieses Bild in der Renaissance gemalt. „Schauen Sie sich dieses Bild an: gebrechliche Damen steigen in das Bad und entsteigen ihm verjüngt. Ist das gerecht? Jetzt aber die Frage: Warum sind die Männer nicht im Bad? Das hat mich sehr bewegt“, erzählt der Professor für Geriatrie. Er berichtet, dass man im damaligen Weltbild davon ausgegangen ist, wenn die Damen sich verjüngen, werden dadurch die Männer automatisch verjüngt.“
Gut zu altern ist ein Menschheitstraum
Nicht zu altern, gut zu altern, ohne Krankheit zu altern ist ein Menschheitstraum. Und er wird in der Gegenwart weitergeträumt, weiß Professor Bauer: „Heute sprechen wir darüber wo die Reise hingeht. Und zwar nach Silicon Valley. Dort haben sich die größten Firmen der Welt auch diesem Gebiet engagiert. Google und andere, wie Jeff Pesos, einer der reichsten Menschen der Welt einen Teil seines Vermögens in die Altersforschung investiert hat.“ Nicht nur Firmen, sondern auch Staaten investieren Milliardenbeträge in die Altersforschung. Altersforschung, die sowohl „Die Pille gegen das Altern mit einschließt“, aber auch die gesellschaftlichen und sozialen Faktoren des Alterns erforscht. Und es gibt viel zu tun, wie ein Beispiel zur Pflegesituation heute und in Zukunft aus Deutschland zeigt: „Der Anstieg der Pflegebedürftigkeit ist enorm und erschreckend groß die zunehmende Schere, wieviel Pflegekräften wir haben werden und wieviel wir benötigen.“
Wie können wir nun das gesunde Altern fördern? Denn das Altern setzt sich aus vielen Faktoren zusammen. Aus Bausteinen, die wir ändern können und welche, die festgeschrieben sind: Die Genetik. „Wieviel ihres Alterungsprozesses ist denn genetisch bedingt, durch die Erblichkeit? Zehn Prozent. Das ist wieder eine gute Nachricht. Doch sie müssen schon früh damit beginnen etwas zu ändern, denn Altern ist ein lebenslanger Prozess“, erklärt Bauer und fügt an: „Es gibt Effekte, die weit zurückliegen und wir uns nicht erklären können. Doch wir haben vieles in der Hand. Nicht in der Hand haben wir zum Beispiel die Wohnsituation, die Umweltverschmutzung…etc.“
Es gehe nicht darum, das Altern zu erhöhen, betont Bauer, sondern darum die Gesundheitsspanne zu erweitern und Alterungsprozesse hinauszuzögern oder sogar zu verändern. Hier sind unsere Lifestyle-Faktoren entscheidend. Dazu zählt der u.a. der Schlaf, die Mobilität, die kognitiven Reserven. Dies alles hat eine intensive Wechselwirkung mit Erkrankungen. „Es gibt nicht nur einen Faktor, dass sie „schlecht“ alt werden.“ Bauer berichtet von Untersuchungen zum „richtigen“ Schlafen. „Klar, wenn sie älter werden schlafen die meisten schlechter. Doch man hat untersucht, wie lange sie schlafen sollten: so um die sieben Stunden.“ Bauer fragt das Publikum: „Ist das ok? Dann sagen sie ja, aber ich möchte mehr schlafen. Dann sage ich: Dann müssen sie trainieren, sie müssen sich mehr bewegen.“ Studien haben gezeigt, dass wenn Menschen deutlich weniger schlafen, ihnen die körperliche Aktivität nichts nützt, sie altern dennoch schneller. Umgekehrt ist jedoch so: wenn sie mehr schlafen, konnten die Probanden, das durch ein mehr an körperlicher Arbeit ausgleichen. Die sieben Stunden schützen auch vor kognitivem Altern und sind eine gute Demenzprävention, berichtet der Mediziner.
Zwei weitere Bereiche sind essentiell für die Selbständigkeit älterer Menschen: Das ist die Mobilität und Kognition. Diese zwei Bereiche definieren die Lebensqualität im Alter. „Dazu kommt, dass wir meistens im Alter mehr Masse, heißt Gewicht, mit weniger Muskulatur bewegen müssen“, weiß Bauer und berichtet von einem Experiment: “Wenn Sie in ihren täglichen Umfang an Bewegung reduzieren, ihre Schrittzahl, dann können sie innerhalb von 14 Tage messen, dass ihre Muskulatur zurückgegangen ist.“ Die Schlussfolgerung sei eine regelmäßige Bewegung und auch eine Steigerung dieser. Dazu trägt auch bei, die Sitzzeit zu verringern. „Jetzt kommt noch etwas Neues: Entscheidend ist nicht die gesamte Sitzdauer über den Tag, sondern wie lange sie am Stück sitzen. So alle 30 Minuten sollte das Sitzen durch einen Gang unterbrochen werden. So funktioniert der Organismus.“
Immer wieder betont Professor Bauer, dass es keine einfachen Lösungen gibt. „Es gibt keine Alternative, wenn sie mit 85/95 erfolgreich sein wollen, müssen sie richtig trainieren: Flexibilität, Kraft und Balance“.
Als nächsten Punkt führt Bauer das Gedächtnis an: „Wir müssen vor allem über Prävention des kognitiven Abbaus nachdenken und sprechen.“ Wissenschaftler haben nachgewiesen, dass ein starker Abbau des Gedächtnisses erfolgt, wenn Menschen nicht mehr gut hören und sehen. Hier wird die soziale Interaktion stark eingeschränkt und der kognitive Abbau beginnt. „Wie viele Demenzerkrankungen könnten durch eine Prävention verhindert bzw. aufgehalten werden? Tatsächlich 40-45%, wir haben da viel in der Hand. Jedoch müssen wir das als lebenslangen Vorgang betrachten.“ Ein entscheidender Punkt, wie wir im Alter kognitiv dastehen, sei unsere Förderung als Kinder. Das nennt der Fachjargon kognitive Reserve. Die wichtigste Maßnahme im Kontext der Prävention und medizinischen Versorgung ist die Blutdruckeinstellung, so der Mediziner. „Hier sind die Zahlen eindeutig. haben wir schon große Erfolge erzielt. Denn das Gehirn muss mit Nährstoffen ausreichend versorgt werden. Diabetes und Cholesterineinstellung. Wenn die Gefäße verkalken oder verschlissen werden, haben sie ein höheres Risiko z.B. für Schlaganfälle.“ Auch hier empfehlen die Experten, dass im mittleren Lebensalter zwischen 30 und 40 die Maßnahmen ergriffen werden sollen.
„Nehmen wir mal an, sie waren ein fauler „Sack“. Was können sie dann jetzt tun?“ Bauer empfiehlt einen anspruchsvollen Job anzunehmen, der vor allem Spaß macht. „Ein guter Job, der sie fordert, ist auch gut für ihr Alter. Stichwort Resilienz müssen sie lernen, das fällt ihnen doch nicht in den Schoß“, davon ist Bauer überzeugt. Auch Humor stärkt die Resilienz und Gelassenheit. „Sogar das Verheiratet-Sein ist positiv, obwohl viele Paare einen anderen Eindruck haben können (das Publikum lacht). Eine Beziehung will gelebt und erobert werden, eine Beziehung bringt Herausforderungen, die das Paar fordert.“
Fazit: „Wer denkt, dass er easy altert das gibt’s nicht. Sie müssen über die Bewältigung von Herausforderungen wachsen, auch im Sozialen funktioniert das so. Man kann das kombinieren mit gesunder Ernährung, körperlichem Training und Behandlung kardiovaskulärer Risikofaktoren."