Von Sr. Anastasia Franz
Doch wie kam es dazu, dass Matthias Beck schon 49-mal auf dem Jakobsweg war? Vor 28 Jahren war er, der Spanisch und Französisch studiert hat, im Rahmen eines vierwöchigen Sprachkurses in der Nähe von Santiago de Compostela. Dort kam er mit Jakobspilgern ins Gespräch. Jahrelang hat es dann in ihm gearbeitet und er hat immer gedacht: „Du musst das einmal ausprobieren!“ Es habe aber sehr lange gedauert – ungefähr zehn Jahre – bis er zum ersten Mal seinen Rucksack packte. Irgendwann kam die Entscheidung: „Jetzt probierst du es einmal für eine Woche – Schnupperpilgern.“ Er flog nach Santjago und wanderte von einem Ort aus, von dem er es in einer Woche ohne wahnsinnig anstrengende Etappen schaffen kann, zum Ziel zu gelangen. Obwohl er sonst mit dem Wetter meistens Glück hat, ist sein erstes Mal total ins Wasser gefallen: „Die Wege wurden zu Bachläufen. Die Schuhe waren nass.“ Trotz der nassen Füße war es super für ihn, denn er hatte eine tolle „Pilgrimfamily“, das heißt: Die Leute, mit denen er lief, waren eine nette Truppe und sie haben immer gemeinsam gekocht und gegessen. Das macht für ihn das sogenannte „Pilgerflair“ aus, die Gemeinschaft in den Herbergen. Er sagt: „Obwohl es das erste Mal so ins Wasser gefallen ist, habe ich daran Geschmack gefunden. Es gab Jahre, in denen ich viermal auf dem Jakobsweg war.“
Das Pilgern gibt ihm sehr viel: „Es hat mir für meine mündlichen Fremdsprachenkenntnisse viel gebracht, auch Kenntnisse über das Land und die Kultur Spaniens, Nordspaniens, auch Andalusien, vieler Ecken und Dörfer, Kulinarik, Landeskunde sowie viele Bekannt- und Freundschaften – auch solche, die lange Jahre überdauern. Er liebt auch die Landschaft und die Kirchen Nordspaniens.
Die Spiritualität war am Anfang noch gar nicht im Vordergrund. Oft stand in seinem Leben eine wichtige Entscheidung an: „Aber dann habe ich oft auch gemerkt: Die Entscheidung war schon klar im Kopf. Sie wollte nur noch bestätigt werden beim Laufen. Das Thema ´Kirchen und Gottesdienste` wurde im Laufe der Jahre immer zentraler. Deshalb ist die schönste Zeit für mich immer über Weihnachten und Silvester. Weihnachten in Spanien ist ein anderes Weihnachten. Es dauert vom 24. Dezember bis zum 6. Jänner. Es kulminiert gerade auf den 6. Jänner. In diesem Zeitraum zu laufen ist für mich das Schönste. An Weihnachten in Spanien ist viel mehr Gemeinschaft da. Da werden die Dorf- oder Stadtbewohner viel mehr einbezogen. Der Glaube ist für mich nicht direkt an den Jakobsweg gebunden. Die Kirchen haben für mich immer diesen Besinnungscharakter. „Dort werde ich in der Gewissheit bestärkt, dass viel Schlimmes von mir ferngehalten wird und dass ich den richtigen Weg finde. Daran glaube ich und das spüre ich mehr in den Kirchen, besonders in Spanien. In der Regel gibt es abends immer einen Pilgergottesdienst, der gut besetzt ist. Gerade an Weihnachten ist das wirklich sehr berührend. In dieser Zeit gehen sehr wenige auf dem Jakobsweg. Die Kirche ist ganz voll und am Schluss heißt es: „Wenn Pilger anwesend sind, sollen die jetzt nach vorne kommen und dann gibt es einen besonderen Pilgersegen und das ist ergreifend.“
Pilger dürfen nicht zu viel Gepäck tragen, um Schulterproblemen vorzubeugen. In den Rucksack des Pilgerprofis kommt der Schlafsack – ein dünner oder dickerer je nach Jahreszeit – Hausschuhe, drei Garnituren Kleidung, richtig gute Wandersocken, die Blasen fernhalten und darum auch etwas kosten dürfen, Zahnbürste, Zahncreme, Rasierer, Shampoo zum Haare waschen, duschen und Kleidung waschen, Ohrstöpsel, das Ladegerät fürs Handy, Pilgerausweis und Personalausweis, Geld in großen Scheinen, die Bankkarte für Kartenzahlungen sowie schwarze Outdoor-Handtücher: Dünn und saugfähig, eignen sie sich zum Duschen, zum Einwickeln der nassen Wäsche und wenn Schlaufen dran genäht werden, zum Verdunkeln des Schlafplatzes in der Herberge, wenn man unten im Stockbett schläft. Schwarze Wäsche trocknet in der Sonne dreimal schneller. Auf dem Jakobsweg ist es wichtig, die Wäsche bis zum nächsten Tag trocken zu bekommen. Medikamente und Pflaster bleiben zuhause, denn in Spanien gibt es überall Apotheken, wo man kaufen kann, was man benötigt: „Man läuft schließlich nicht durch die Serengeti!“. Proviant nimmt er nicht mit – denn alles muss getragen werden. Er kauft sich unterwegs etwas oder isst in einer Gaststätte. Wasser trägt er einen halben Liter mit, da es unterwegs immer wieder Trinkwasserstellen gibt, die sogar im Pilgerführer eingezeichnet sind.
Er läuft in Trekkingschuhen auf dem Camino, denn sie sind leichter. In der Regel wandert man über Feldwege und Asphalt und das sei mit diesen Schuhen gut zu bewältigen. Der Pilger rät, nicht zu viel Zeit mit Packen zu verbringen, weil man sonst zu viel mitnehmen würde.
Anlässlich seines 50. Jubiläums hat der erfahrene Pilger sich überlegt, etwas Besonderes zu machen: Er möchte zwei Wochen lang als „Herbergsvater“ eine Herberge, die durch Spenden finanziert wird, betreuen. Dafür muss er einen Kurs besuchen, was erst nächstes Jahr möglich ist. Der Herbergsvater nimmt die Pilger in Empfang, kontrolliert den Ausweis, putzt die Herberge und muss manchmal für Ruhe sorgen und in manchen Herbergen fürs Essen. Die Pilger müssen spätestens um 8 Uhr morgens die Herberge verlassen. Für Matthias Beck ist diese Aufgabe als Herbergsvater etwas für seine Zukunft: „Da werde ich langfristig auch in meinem Lebensabend eine Aufgabe haben und immer wieder für zwei Wochen hingehen.“
Aus dem Vorarlberger Kirchenblatt Nr. 39 vom 19. Oktober 2023